Wie spreche ich darüber?
Die erhobenen Daten unserer Studie zeigen, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene, die Gewalt in ihrer Beziehung erleben, sehr häufig an ihre Freund/innen, ihre Eltern oder andere nahe Bezugspersonen wenden.
Deshalb möchten wir die Wichtigkeit der Reaktion dieser Erstansprechpersonen hervorheben. Zu wissen wie man darauf reagiert und was man sagt, wenn jemand von Gewalt in der Beziehung berichtet, ist wesentlich im Umgang mit dem Thema.
Das Wissen von regionalen Unterstützungs- und Hilfsangeboten für Opfer von Gewalt, kann es außerdem erleichtern in solch einem Gespräch sinnvolle Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Mit anderen Personen über erlebte Übergriffige oder anderes gewalttätiges Verhalten zu sprechen, ist etwas sehr intimes, weshalb möglichst empathisch und wertfrei reagiert werden sollte. Die Reaktion der ersten Ansprechperson kann einen wesentlichen Einfluss darauf haben, wie sich der weitere Verlauf der Krisenbewältigung entwickelt.
Die nachstehenden Empfehlungen sollen es Bezugspersonen erleichtern, mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, über ihre erlebten Gewalterfahrungen zu sprechen:
- Erstens, das Wichtigste nachdem jemand von Gewalt in der Beziehung berichtet ist es, die betroffene Person zu unterstützen und sie wissen zu lassen, dass sie mit der Situation nicht alleine ist. Sehr wahrscheinlich fiel es der betroffenen Person nicht leicht darüber zu sprechen. Darum ist es zu Beginn des Gesprächs wichtig zu vermitteln, dass du froh darüber bist, dass die/der Betroffene sich dir anvertraut hat. Es ist sehr mutig von solchen Erlebnissen zu erzählen und mit einer anderen Person darüber zu sprechen. Lass die Person wissen, dass sie Anspruch auf Hilfe hat und du für sie da bist.
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Zweitens, Opfer von Gewalt dürfen zu keinen Entscheidungen oder Schritten
gedrängt oder überredet werden.
Du kannst alle möglichen nächsten Schritte aufzeigen, aber die Entscheidung wie
die betroffene Person nun weiter Vorgehen möchte liegt alleine in ihrer Hand.
Natürlich gibt es auch einige Situationen in denen man durchaus als Zeuge/Zeugin
eine Anzeige machen kann oder sogar muss (z.B. Kindesmissbrauch).
In manchen Situationen solltest du darauf bestehen, dass die betroffene Person
selbst die Polizei ruft oder sich anders Hilfe sucht
(wenn die/der Betroffene von akuter und schwerwiegender Gewalt bedroht ist).
Abgesehen von diesen Beispielen empfehlen wir, bei der Inkenntnissetzung von
Gewalt in der Beziehung,
mit Empathie und Mitgefühl zu reagieren.
Dem Opfer soll vermittelt werden, dass alleine der/die Täter/in für gewalttätige
Handlungen verantwortlich ist.
Du kannst sagen:
- "Was passiert ist, ist nicht deine Schuld."
- "Es ist sehr mutig und stark, dass du mir davon erzählst."
- "Du bist mit der Situation nicht alleine, ich bin für dich da."
- "Wie kann ich dir helfen? Bist du jetzt sicher?"
- Drittens, du kannst die Erstellung eines Sicherheits-Plans vorschlagen und bei der Umsetzung mitwirken. Ein Sicherheits-Plan ist eine klar formulierte Schritt-für-Schritt Anleitung für eine spezifische Person, basierend auf den spezifischen Lebens- und Gefahrensituationen, die die Sicherheit in der Beziehung, oder auch bei der Trennung gewährleisten soll. Solch ein Sicherheits-Plan sollte beinhalten: Die erste Kontaktaufnahme in einer bedrohlichen Situation. Also: Wen kontaktiere ich? Ruf ich meine Eltern, eine/n Freund/in, eine andere Bezugsperson oder eine Notruf-Hotline? Muss ich mich aus der Gefahrenzone befreien und welche Hilfsmittel (Fahrrad, Bus, Auto, etc.) brauche ich für die Flucht? Gibt es einen sicheren Ort, an den ich flüchten kann und an dem ich eventuell auch länger bleiben kann? In welchen Situationen muss ich mir Hilfe von der Polizei holen?
- Viertens, als Ansprechperson bei Gewalterfahrungen sollte man anbieten, das erste Gespräch mit einer passenden Anlaufstelle zu begleiten. Der erste Weg zu den Eltern, der schulpsychologischen Betreuung, einer Hilfs- oder Beratungsstelle, einer Online- oder Notrufhotline genauso wie zu der Polizei ist oft sehr schwer. Jemanden an der Seite zu haben, dem man vertraut und der einen in dieser Situation unterstützt, kann es für die betroffene Person erleichtern sich tatsächlich auch die benötigte Hilfe zu suchen.